Wie wichtig Licht für uns ist, spüren wir alle gerade jetzt, wo die Tage wieder länger werden und die ersten warmen Sonnenstrahlen uns und die Natur aufblühen lassen. Licht ist außerdem wichtig, damit wir uns orientieren, kompetent handeln können und uns sicher bewegen.
Je älter wir werden, desto mehr Licht benötigen wir. Im Vergleich zu einem 20-Jährigen benötigt ein 60-Jähriger dreimal so viel Licht, ein 80-Jähriger sogar eine fünfmal höhere Beleuchtungsstärke. Dies lässt sich durch die mit zunehmendem Alter verringerte Lichtdurchlässigkeit von Hornhaut, Linse und Glaskörper erklären. Außerdem wird die Linse mit der Zeit trüber. Dazu kommen dann noch Augenerkrankungen, die mit dem Alter zunehmen, wie z.B. Grauer Star, Glaukom, Makuladegeneration und Diabetes Retinopathie. In Studien konnte eine Korrelation von Seheinschränkungen, unzureichender Beleuchtung und Unfall- bzw. Sturzgefahr gezeigt werden.
Aber Licht hat noch mehr Wirkungen. Das sogenannte atmosphärische Licht erzeugt Stimmungen und Wohlbefinden. Ein gleichmäßig hell erleuchteter Raum wirkt wenig gemütlich, wohingegen wir mit mehreren unterschiedlichen Leuchten, mit direktem und indirektem Licht verschiedene Stimmungen erzeugen können.
Noch wichtiger aber ist die biologische Wirkung von Licht, auf die ich hier näher eingehen möchte. Wieder müssen wir kurz auf die Evolutionsgeschichte schauen. Wir sind durch den Tag-Nacht-Wechsel und die Veränderung des natürlichen Lichtes im Verlauf eines Tages geprägt. Heute halten wir uns aber größtenteils in Innenräumen auf, in denen eine Beleuchtungsstärke von 500lx bis höchstens 1.000lx herrscht. Im Vergleich dazu haben wir im Freien selbst an einem bedeckten Wintertag noch 3.500lx.
Doch was ist nun die biologische Wirkung von Licht? Zum einen ist das Sonnenlicht – genauer gesagt die UVB-Strahlung – wichtig zur Bildung von Vitamin D, mit seiner positiven Wirkung auf die Knochenbildung. Allerdings zeigen neuere Forschungen auch, dass Vitamin D wie ein Hormon wirkt und diverse weitere körperliche Prozesse beeinflusst. In diesem Zusammenhang geschieht die Aufnahme des Lichts allerdings nicht über die Augen, sondern über die Haut. Fensterglas hält die UVB-Strahlung ab.
Die zweite biologische Wirkung ist die Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus (circadianer Rhythmus) durch den Botenstoff Melatonin. Hier fällt das Licht durch das Auge auf die Netzhaut, die Lichtreize werden an die Zirbeldrüse und den Suprachiasmatischen Nukleus (das Zentrum der inneren Uhr) weitergeleitet. Die Zirbeldrüse ist nun verantwortlich für die Melatonin-Produktion. Bei hellem Licht wird die Ausschüttung von Melatonin gedrosselt, was zu mehr Aktivität führt. Bei Dunkelheit steigt der Melatonin-Spiegel an, was uns dann ruhig schlafen lässt. Zu beachten ist, dass sich nicht nur die Beleuchtungsstärke über den Tag ändert, sondern auch die Farbtemperatur, die tagsüber höher ist, also mehr Blauanteil besitzt. Im Lauf des Lebens aber „vergilbt“ unsere Linse, was dazu führt, dass wir im Alter Blau- und Grüntöne schlechter wahrnehmen können und sich unser circadianer Rhythmus schlechter synchronisiert. Es kommt zu Schlafstörungen.
Außerdem erhöht Licht den Serotoninspiegel im Gehirn. Dies wiederum verbessert die Stimmung und hat antidepressive und antiaggressive Effekte.
Leider gehören Menschen in Pflegeheimen zu den Personengruppen mit der niedrigsten Tageslichtexposition. Studien haben gezeigt, dass Bewohner:innen von Pflegeheimen nur ca. 9 Minuten pro Tag einer Lichtexposition von 1.000 lx ausgesetzt sind. Das ist viel zu wenig. Die Folge davon sind Schlafstörungen, Apathie oder Unruhe bis hin zu Aggressivität. Auch hier werden die Symptome mit anderen Ursachen in Verbindung gebracht. Studien haben gezeigt, dass sich durch gute Beleuchtung die Unruhe beim Essen verringerte und sich das Essverhalten und die Kommunikation verbesserte.
Wie sieht nun aber eine gute Beleuchtung im Pflegeheim aus?
So viel Tageslicht wie nur möglich! Vor allem die Bereiche, in denen sich die Menschen hauptsächlich aufhalten, sollten besonders viel Tageslicht bekommen. Das sind zum einen die Aufenthaltsräume, aber auch die Flure, die nicht nur als Verkehrswege dienen und leider oft innenliegend sind. Dann sind auch möglichst mehrere geschützte Freibereiche auf jedem Geschoss vorteilhaft, die die Bewohner selbstständig und gefahrlos aufsuchen können. Hier könnte man in Form von Liegestühlen “Sonnentankstellen” einrichten.
Wenn der Bestand nun leider anders aussieht, gibt es aber auch hier Möglichkeiten, die Situation zu verbessern. Zum Beispiel durch den Einsatz einer dynamischen Beleuchtung, die den natürlichen Lichtverlauf simuliert. Dabei wird die Farbtemperatur und Beleuchtungsstärke über den Vormittag erhöht und sinkt am Nachmittag wieder ab. Wie dies genau aussieht, kann mit der jeweiligen Station abgestimmt werden und wird dann so programmiert, dass nichts mehr eingestellt werden muss. Sinnvoll ist diese Beleuchtung wieder in den am häufigsten frequentierten Bereichen. Wichtig ist auf eine gleichmäßige Ausleuchtung – möglichst mit direktem und indirektem Lichtanteil – zu achten. Dabei ist eine Ausleuchtung von Decke und oberen Bereichen der Wand günstig, um Blendung und Reflexionen am Boden zu vermeiden, die zu Irritationen und Unsicherheit führen können. Am besten zieht man einen erfahrenen Lichtplaner:in hinzu.
Die Rückmeldungen aus Pflegeheimen, in denen eine solche Beleuchtung eingesetzt wurde, sind allerdings unterschiedlich. Viele berichten jedoch davon, dass sich der Tag-Nacht-Rhythmus bei den Bewohnern:innen verbessert hat, die Aktivität tagsüber höher ist und nächtliche Unruhe nachlässt. Davon profitieren auch die Pfleger:innen. Für sie ist das Pflegeheim der Arbeitsplatz und auch hier ist ein gutes Beleuchtungskonzept wichtig, denn damit kann sich auch die Konzentration verbessern und Ermüdungserscheinungen nachlassen.
Als Innenarchitektin und Expertin für Wohn- und Architekturpsychologie beschäftige ich mich damit, wie Räume und Gebäude auf unser Denken, Fühlen und Handeln wirken und wie wir sie gestalten können, damit sich die Bewohner:innen darin wohl fühlen und sich ihre Lebensqualität verbessert.
Wenn Sie Unterstützung bei der Planung oder Gestaltung Ihrer Räume wünschen, den IST-Zustand analysieren möchten, spezielle Fragen haben oder an einer humanwissenschaftlichen Qualitätsanalyse Ihres Gebäudes oder Ihrer Planung interessiert sind, kontaktieren Sie mich unverbindlich.
Ich freue mich auf ein Gespräch mit Ihnen. Und jetzt am besten erstmal eine Runde in die Sonne!
Ihre
Nina Marggraf