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„Wie soll sich meine Mutter hier zurechtfinden“ – Orientierung im Pflegeheim

Diese Bilder schickte mir kürzliche eine Bekannte und erzählte mir, dass sich ihre Mutter in dem Pflegeheim, in dem sie seit fast zwei Jahren lebt, überhaupt nicht zurechtfindet.

Verständlich, denn der Flur ist eintönig und sieht in jedem Stockwerk gleich aus; genauso die einzelnen Zimmertüren. Dabei kann eine entsprechende Gestaltung dazu beitragen, dass sich Menschen mit oder ohne Demenz leichter zurechtfinden, was wichtig ist, denn der Verlust der Orientierung führt zu Unsicherheit und Angst, was wiederum zu einem Rückzug und dem Verweigern von sozialen Interaktionen führen kann.

 

Das Bedürfnis nach Kompetenz und Selbstbestimmheit sollte unterstützt werden. Dazu gehört, dass sich die Bewohner:innen sicher bewegen können und sich bestmöglich zurechtfinden. Laut Studien wirken sich lange Flure negativ auf Menschen mit Demenz aus, eintönige Räume sind für unser Gehirn außerdem sehr ermüdend. Wenn sich lange Flure dennoch nicht vermeiden lassen, sollten sie wenigstens abwechslungsreich gestaltetet sein, denn in Untersuchungen hat sich gezeigt, dass sich die Bewohner:innen oft genauso lang in den Fluren wie in den Aufenthaltsbereichen aufhalten. Es sind eben nicht nur Verkehrswege sondern Orte, an denen man andere trifft, sich unterhält und bestenfalls auch etwas erlebt.

 

Sinnvoll ist ein durchgängiges Leitkonzept für das gesamte Haus zu entwickeln. Hier eignet sich ein Farbkonzept, das durch Fotos/Bilder und Text/Ziffern ergänzt wird. Dabei werden verschiedene Hirnregionen angesprochen und es kann eine entsprechende Verknüpfung stattfinden. Außerdem erstellt das Gehirn eine kognitive Karte, die sich an markanten Punkten orientiert, also z.B. der blaue Flur mit dem Bild der Bachforelle oder das Zimmer mit dem roten Sofa und ähnliches.

 

       

 

Im Flur selbst sollten Blendungen durch Fenster an den Flurenden und Spiegelungen am Boden vermieden werden, da sie zu Gangunsicherheiten führen. Wichtig sind Kontraste zwischen Boden und Wand sowie Wand und Decke, damit der Raum eindeutig erkannt werden kann. Bei der Farbigkeit ist eine Orientierung an der Natur angebracht. Das bedeutet, der Boden (Erde) ist am dunkelsten und gibt ein Gefühl von Sicherheit, die Wände sind heller und die Decke ist am hellsten. So kann auch das Licht optimal reflektiert werden.

Bei der Beleuchtung ist darauf zu achten, dass es hell genug ist und keine Schlagschatten oder „überholende“ Schatten (die laufende Person sieht plötzlich ihren eigenen Schatten vor sich) gibt, denn auch das führt zu Unsicherheiten und Fehlinterpretationen.

Sitzgelegenheiten, eventuell in Form von Nischen in der Wand, laden zum Verweilen oder Ausruhen bei. Bilder von ruhigen, weitläufigen Landschaften können einen fehlenden Ausblick in die Natur zum Teil kompensieren und an das Farbkonzept angelehnt sein. Am schönsten wäre natürlich ein Flur mit möglichst viel Tageslicht und Ausblick, was aber in bestehenden Einrichtungen eher selten zu finden ist.

 

Wenn dann der „richtige“ Flur gefunden wurde, sollte natürlich auch noch das eigene Zimmer bzw. die eigene Zimmertüre erkannt werden. Um sich an einem Ort zu Hause zu fühlen, also eine emotionale Ortsbindung und Ortsidentität zu entwickeln, sind mehrere Aneignungsprozesse notwendig. Tatsächlich kann das mehrere Jahre dauern und oft sind heute die Bewohner:innen gar nicht mehr so lange in einem Pflegeheim. Aber je größer der institutionelle Eindruck eines Pflegeheims ist, desto größer wird der Eindruck sein „ich bin im Krankenhaus“ oder „nur zu Besuch“. Deshalb ist es wichtig, dass die Bewohner die eigenen Zimmer als ihren ganz persönlichen Ort erleben können. Je mehr Eigenes mitgebracht werden darf, desto wohler wird sich der Bewohner fühlen.

 

Und auch die Zimmertüre sollte in einem gewissen Maß personalisiert und dadurch kenntlich gemacht werden.
Ein Namensschild an der Türe ist datenschutzrechtlich nicht ganz einfach und für Menschen mit dementiellen Erkrankungen oft auch nicht hilfreich. Aber vielleicht könnten sie sich selbst ein Bild aussuchen, das ihnen gefällt und ihre Türe kenntlich macht. Das könnte zum Beispiel ein Bild einer Lieblingsblumensorte oder des geliebten Haustiers sein oder auch ein selbst gestaltetes Werk. Vielleicht auch ein Foto von der Eingangstüre des früheren Zuhauses. Hier sollte ganz individuell auf den Einzelnen eingegangen werden.

 

        

 

Ich würde mir wünschen, dass bei der Gestaltung mehr Augenmerk auf die Bedürfnisse der Menschen gelegt wird für die wir planen, indem wir versuchen, uns wirklich in sie hineinzuversetzen.

 

Als Innenarchitektin und Expertin für Wohn- und Architekturpsychologie beschäftige ich mich damit, wie Räume und Gebäude auf unser Denken, Fühlen und Handeln wirken und wie wir sie gestalten können, damit sich die Bewohner:innen darin wohl fühlen.

Wenn Sie Unterstützung bei der Planung oder Gestaltung Ihrer Räume wünschen, den IST-Zustand analysieren möchten, spezielle Fragen haben oder an einer humanwissenschaftlichen Qualitätsanalyse Ihres Gebäudes oder Ihrer Planung interessiert sind, kontaktieren Sie mich unverbindlich.

Ich freue mich auf ein Gespräch mit Ihnen.

Ihre
Nina Marggraf